Tödliche Schüsse – Verfahren gegen Polizisten eingestellt

Das Verfahren gegen die Polizisten wurde nun eingestellt. (Archivfoto) Moritz Frankenberg/dpa
Das Verfahren gegen die Polizisten wurde nun eingestellt. (Archivfoto) Moritz Frankenberg/dpa

Nienburg (dpa/lni) –

Ein halbes Jahr nach tödlichen Schüssen der Polizei in Nienburg an der Weser hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen 14 Beamte eingestellt. Die Polizisten seien in Lebensgefahr gewesen und hätten die Waffen als letztes Mittel eingesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft Verden mit. Ein 46 Jahre alter Mann wurde dabei tödlich verletzt, eine Polizistin angeschossen.

Angreifer soll mit Messer auf Polizisten losgegangen sein

Nach Angaben der Ermittler bedrohte der 46-Jährige am Karsamstag seine Freundin mit einem Messer. Der Frau gelang die Flucht. Sie verständigte die Polizei. Mehrere Beamte seien zu der Reihenhaussiedlung gefahren und von dem Mann bedroht worden, hieß es. Als sie die Tür des Hauses gewaltsam geöffnet hätten, sei ihm ein Messer aus der Hand gefallen. Im Wohnzimmer habe er nach einem weiteren Messer gegriffen und sei damit auf die Polizisten zugegangen. Er habe die Aufforderung der Beamten ignoriert, das Messer fallen zu lassen. 

Laut Staatsanwaltschaft ging der Mann schließlich zur Terrasse, wo weitere Polizisten standen. Auch dort hätten ihn die Einsatzkräfte mehrfach gebeten, die Waffe niederzulegen – ohne Erfolg. Die Lage habe sich zugespitzt, als der Mann auf zwei Polizisten losgegangen sei und mit dem Messer mehrfach in ihre Richtung gestochen habe. Ein Stich konnte den Angaben nach mit einem Polizeischild abgewehrt werden. 

Ermittler: Schüsse seien gerechtfertigt gewesen

Schließlich habe der Mann mit vorgehaltenem Messer vor zwei weiteren Beamten gestanden, schilderte die Staatsanwaltschaft weiter. In dem Moment hätten drei Polizisten mehrfach auf den Angreifer geschossen. Zwei Schüsse seien tödlich gewesen. Der Einsatz der Waffen sei «gerechtfertigt erfolgt», resümierte die Staatsanwaltschaft. 

Nach den Vorschriften des Niedersächsischen Polizeigesetzes dürfen Schusswaffen gegen Menschen als letztes Mittel eingesetzt werden. Ein tödlicher Schuss darf nur abgegeben werden, wenn jemand in großer Gefahr ist. Bei dem Einsatz in Nienburg zeigten laut Staatsanwaltschaft mildere Maßnahmen keine Wirkung: Der Angreifer habe sich weder im Gespräch noch durch ein Reizsprühgerät, einen Diensthund und die Drohung mit der Waffe beschwichtigen lassen. Die Schüsse seien in einer «hochdynamischen Bedrohungslage» gefallen. 

Polizistin und Diensthund verletzt

Bei dem Einsatz sei versehentlich eine Polizistin getroffen und schwer verletzt worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Die Ermittler fanden das vollständige Projektil nicht und können deshalb nicht klären, aus welcher Waffe der Schuss abgefeuert wurde. Auch ein Diensthund wurde verletzt. Das Verfahren wurde ebenfalls eingestellt. 

Andere Kollegen blieben nach Angaben der Polizei unversehrt. Alle Beteiligten wurden vernommen und psychologisch betreut, wie eine Polizeisprecherin damals sagte. Aus Neutralitätsgründen übernahm die Polizei im benachbarten Landkreis Verden die Ermittlungen. 

Die Ermittler überprüften nach eigenen Angaben die Munition der Dienstwaffen und werteten zwei Aufzeichnungen von Bodycams aus. Außerdem holten sie ein rechtsmedizinisches und ein waffentechnisches Gutachten ein.

Kritik vom Flüchtlingsrat – verfassungsfeindliche Einstellung eines Polizisten?

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisierte nach eigenen Angaben die Einstellung des Verfahrens und forderte eine Aufklärung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Verden habe in dem Fall gegen Polizisten ermittelt, mit denen sie sonst zusammenarbeite. Es sei zudem wichtig zu prüfen, ob rassistische Einstellungen das Verhalten der Beamten gegenüber dem Gambier beeinflusst hätten. 

Es werde momentan geprüft, ob einer der eingesetzten Beamten eine verfassungsfeindliche Einstellung habe, räumte Tanja Wulff-Bruhn, Präsidentin der Polizeidirektion Göttingen, ein. Der Polizist befinde sich nicht mehr im Dienst. «Diese Prüfung hat keine Verbindungen zur hier betrachteten Einsatzlage», betonte sie jedoch. Die Staatsanwaltschaft habe intensiv ermittelt und festgestellt, dass Rassismus keine Rolle gespielt habe. Das Ende des Einsatzes sei tragisch, der Familie des Toten gelte ihr Mitgefühl.

© dpa-infocom, dpa:240927-930-245048/3

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