Wer glaubt, dass in einer Bücherei auf einer Nordseeinsel nicht viel los ist, täuscht sich. Denn langweilig wird dem Sylter Bibliotheksleiter Jan-Christian Sangkuhl wahrlich nicht: „Besonders auf der Insel ist die Bibliothek als dritter Ort enorm wichtig – Schüler kommen nachmittags zum Lernen, Studenten schreiben in ihrem Urlaub hier an ihrer Bachelorarbeit“, sagt der Leiter der Bibliothek in Westerland der Deutschen Presse-Agentur. Wohnungen auf Sylt sind häufig klein, und auch in Hotels und Ferienwohnungen fehlt oft eine ruhige Umgebung. Die Hälfte seiner Leser:innen sind demnach Tourist:innen.
Wie wichtig Bibliotheken für die Gesellschaft sind, soll vor allem am „Tag der Bibliotheken“ deutlich gemacht werden. Der Tag wird deutschlandweit seit 1995 am 24. Oktober begangen – auch, um neugierig auf deren Angebote zu machen.
Die Sylt-Bibliothek macht das mit Lesungen, Vorträgen, einem Bücherflohmarkt und Aktionen für Kinder und Jugendliche. „An dem Tag geht es darum, zu zeigen, was Bibliotheken fernab des reinen Verleihs leisten – wir sind ein Ort fernab des Konsumdrucks“, sagte Sangkuhl. Mit seinem Team in Westerland hilft er Menschen auch bei E-Mails, druckt und scannt Dokumente für sie und ist – eher unfreiwillig – auch immer wieder Tourist:inneninformation.
Flensburg feiert mit Postkarten, Kiel mit Flohmarkt
In der Stadtbibliothek Flensburg steht der 24. Oktober in diesem Jahr unter dem Motto „Cards for Hearts – Postkarten für die Seele“. In einem Workshop mit der Flensburger Künstlerin Lou Noltenius können Besucher:innen mit Aquarell- und Kratztechnik Postkarten gestalten. Außerdem gibt es eine Auswahl an Postkarten von regionalen Künstler:innen.
Aus ihrer Coming-of-Age-Geschichte über die 16-jährige Mona liest in der Zentralbücherei im Neuen Rathaus in Kiel die Autorin und Schauspielerin Wiebke Wimmer. In „Kill your beast“ entdeckt die Protagonistin das musikalische Erbe ihrer verstorbenen Mutter und geht auf eine Reise durch Schleswig-Holstein und Hamburg.
Bibliotheken als Ort des Zusammenhalts
Die Bibliotheken in Deutschland seien nicht nur als Institutionen der Informationsvermittlung essenziell, sondern auch als Räume für gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagt Holger Krimmer, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv). „Denn nur Orte, die von allen als vertrauenswürdig wahrgenommen werden, können dazu beitragen, dass mehr Vertrauen in das Miteinander fließen kann.“ Das könne helfen, Polarisierung zu überwinden. Bund, Länder und Kommunen fordert er auf, in die Institutionen zu investieren.
Mehr Leser in Hamburger Bücherhallen
Die Hamburger Bücherhallen haben zuletzt mehr Menschen angelockt. So registrierten die mehr als 30 Bibliotheken in allen Stadtteilen im vergangenen Jahr 237.787 aktive Bücherhallen-Karten, wie Bibliotheksdirektorin Frauke Untiedt der Deutschen Presse-Agentur sagt. Das sind fast 17.000 mehr als im Jahr zuvor.
Eine Herausforderung für alle Bibliotheken sei es, Bibliotheken als demokratische Orte mit einem freien Zugang zu Informationen und der Möglichkeit zur freien Meinungsbildung zu schützen, sagt Untiedt. „Wir nehmen diese Herausforderung gerne an.“
Ihrer Erfahrung nach hat sich das Leseverhalten in den vergangenen Jahren verändert. „Menschen lesen gerne, aber jede einzelne Person liest etwas weniger. Wir merken es daran, dass es immer mehr Menschen mit einer Bücherhallen-Karte gibt, unsere Ausleihzahlen aber nicht gleichermaßen wachsen.“ Wenn sie sich etwas wünschen dürfte, wären das mehr Lizenzen für E-Books und E-Audios für Neuerscheinungen – denn viele Menschen würden auch digital lesen.
Neuer Trend bei jungen Lesern: heiße Liebesromane
Einer der neusten Trends geht auch an den Bücherhallen in Hamburg nicht vorbei: Absolut nachgefragt sei „Romance“, also Liebesromane mit durchaus expliziten Stellen für eine junge Zielgruppe. „Hier sehen wir definitiv einen starken Trend, und freuen uns darüber, dass dieses Genre wieder viele Menschen zum Lesen bringt.“
Der „Tag der Bibliotheken“ wurde 1995 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU) ins Leben gerufen. Ziel ist es laut dbv, die Aufmerksamkeit auf die mehr als 8.000 Bibliotheken in zu Deutschland lenken und auf ihr Angebot neugierig zu machen.
SAT.1 REGIONAL/dpa