Kiel (dpa/lno) –
Nach dem Rückzieher bei der geplanten Gerichtsreform in Schleswig-Holstein steht Justizministerin Kerstin von der Decken in der Kritik. Die Oppositionsfraktionen kritisierten das Vorgehen der CDU-Politikerin am Vormittag mit scharfen Worten. Die Bandbreite reichte von «Blamage» bis hin zu der Einschätzung, ein Justizirrtum sei gerade noch vermieden worden.
«Mit selbstbewusster Haltung hat die Justiz dafür gesorgt, dass die unsinnigen Pläne nicht umgesetzt werden», sagte der FDP-Justizpolitiker Bernd Buchholz. Er nannte das Vorgehen die vielleicht größte Blamage der schwarz-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Die Justizministerin habe unnötige Verunsicherung in der Justiz verursacht und dürfe nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren.
Die Zentralisierung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sei vom Tisch und der Rückzug der Fachgerichte aus der Fläche gestoppt. Der verkündete Einspareffekt sei ohnehin zu bezweifeln.
Zunächst habe von der Decken die Pläne als alternativlos dargestellt, nun verweise sie auf erhoffte Diskussionen, sagte Buchholz. «Das ist wirklich blanker Hohn.» «Und, Frau Ministerin, Sie haben die Notbremse nicht freiwillig gezogen.» Die Präsidenten der Obergerichte hätten die Pläne «in der Luft zerfetzt». Er erwarte eine Entschuldigung für die Mitarbeitenden sowie die Richterinnen und Richter für dieses Debakel.
Standortschließungen
Die Zahl der Erstinstanzen der Arbeits- und Sozialgerichte sollte zunächst von neun auf zwei sinken. Nun sind acht Gerichtsstandorte geplant. Die künftigen Sozialgerichte in Kiel und Itzehoe sollen Zweigstellen in Schleswig und Lübeck erhalten, die künftigen Arbeitsgerichte in Kiel und Lübeck auswärtige Kammern in Flensburg und Itzehoe. Neumünster verliert sein Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht Elmshorn wird als auswärtige Kammer nach Itzehoe verlagert.
Das Landessozialgericht wird im Gebäude des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig angesiedelt, das Landesarbeitsgericht und das Finanzgericht im Gebäude des Amtsgerichts in Kiel. Nach dem Entwurf soll es zu einer Konzentration von aktuell 17 auf 10 Gebäude kommen, indem beispielsweise einzelne Außenstellen zusammengelegt werden. Die Ministerin beziffert das Sparvolumen langfristig auf 45 bis 50 Millionen Euro.
Von der Decken verteidigte ihr Vorgehen. «Das Kabinett hat eine Anhörung zum Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform beschlossen. Und Anhörungen nehmen wir in Schleswig-Holstein ernst.» Sie danke für konstruktive Stellungnahmen und wolle gemeinsam gute Lösungen finden. Das neue Konzept stehe noch nicht in allen Details, sei aber vielversprechend. «Wir stellen auch sicher, dass Haushaltseinsparungen erreicht werden.»
Lob der Grünen
Der Grünen-Justizpolitiker Jan Kürschner lobte das Justizministerium. «Man hat keine Burgmentalität entwickelt.» Am Ende zähle das Ergebnis. «Alle Beteiligten haben sich hier bemerkenswert beweglich gezeigt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden.»
Ähnlich wie die FDP griffen auch SPD und SSW die Ministerin an. Der SPD-Innenpolitiker Marc Timmer sprach von einem außergewöhnlichen Schauspiel. Verbände, Justiz und Gewerkschaften hätten sich unisono gewehrt. «Es war eine Irrfahrt des gesamten Kabinetts.»
Statt einen ergebnisoffenen Dialog zu starten, habe von der Decken Demonstranten einen belehrenden Vortrag gehalten, sagte Timmer. So wie diese Reform abgelaufen sein, gehe es nicht. «Ihre Pläne waren eine Zumutung für alle Rechtssuchenden.» Eine krasse Fehlkalkulation sei korrigiert und ein Justizirrtum vermieden worden.
SSW-Fraktionschef Lars Harms betonte: «Die Rückmeldungen waren wirklich von allen Seiten vernichtend.» Das Rechenbeispiel der Landesregierung sei in seine Einzelteile zerlegt worden. «Unterm Strich ließ sich feststellen, dass die angebliche Sparreform vielleicht sogar zu Mehrkosten geführt hätte.»
Nach Bekanntwerden der ursprünglichen Reformpläne Ende September hatte es in der Justiz sowie von Verbänden und Gewerkschaften einen Sturm der Entrüstung gegeben. Von der Decken begründet ihr Vorgehen mit dem Sparkurs der Landesregierung. Das Land muss strukturell eine Milliarde Euro einsparen im Haushalt.
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