Krähenwinkel statt Barcelona – als Erzieherin in Deutschland

Die 29-jährige Spanierin hat die Kleinkinder während der Eingewöhnungsphase in der Kita kennengelernt.  Julian Stratenschulte/dpa
Die 29-jährige Spanierin hat die Kleinkinder während der Eingewöhnungsphase in der Kita kennengelernt. Julian Stratenschulte/dpa

Hannover (dpa/lni) –

Es ist ein Abenteuer: Brenda Hornos Justicia hat ihre Heimat Barcelona gegen den kleinen niedersächsischen Ort Krähenwinkel getauscht. Die 29-Jährige ist eine von inzwischen Hunderten spanischen Erzieherinnen, die von deutschen Behörden angeworben wurden, um die Personalnot in Kindertagesstätten abzumildern. In Spanien ist die Geburtenrate niedrig und es gibt es einen Überhang an gut ausgebildeten Erzieherinnen. Seit September gehört Brenda zum Team der Kita Krähenwinkel in der Region Hannover und betreut mit Kolleginnen die «Puckis», eine Gruppe von 15 Ein- bis Dreijährigen. 

Abends sei es schon sehr ruhig in Krähenwinkel, erzählt Brenda, die sich dafür entschuldigt, dass ihr Deutsch während des Heimaturlaubs über den Jahreswechsel schlechter geworden sei. In Barcelona unternehme sie mehr in ihrer Freizeit, jedoch sei sie kein Strand-Typ und möge keine Hitze. «Ich würde auch gern in Finnland leben», sagt die Spanierin lachend. «Ich liebe das deutsche Wetter.»

14 spanische Erzieherinnen hat die Region Hannover anwerben können. Eigentlich standen in dem Pilotprojekt 22 Plätze zur Verfügung. Jedoch konkurrieren inzwischen mehrere deutsche Bundesländer sowie skandinavische Länder und Irland um die Fachkräfte. «Deutschland hat die Arme ausgebreitet für mich», sagt Brenda, die besonders die Arbeit im Team in ihrer neuen Kita schätzt. Ihr Ziel sei es, neue pädagogische Konzepte kennenzulernen.

Kita-Leiterin: «Brenda ist ein Herzensmensch»

In Deutschland war die junge Pädagogin vor dem Start des Programms noch nie, Deutsch hat sie auch nicht in der Schule gelernt. Im April begann ihr bezahlter, mehrmonatiger Deutschkurs in Barcelona. Ihre Kita in der Nähe des Flughafens Hannover lernte sie in einer Schnupperwoche kennen. Der Vertrag der Spanierin mit der Kita Krähenwinkel läuft bis Anfang 2026. Absolviert sie das Projekt erfolgreich, steht am Ende die Anerkennung als staatlich anerkannte Erzieherin in Deutschland. In Spanien arbeitete Brenda nach ihrem Universitätsabschluss 2016 bereits mehrere Jahre als Erzieherin. 

Kita-Leiterin Melanie Lüschen kann die Spanierin als Sozialassistentin und zusätzliche Fachkraft einsetzen. «Das ermöglicht uns, die Gruppen aufrechtzuerhalten, wenn Kollegen nicht da sind», sagt sie. Das Team profitiere von Brendas Ausbildung und Berufserfahrung. «Sie sieht, welche Bedürfnisse beim Kind sind» Mit ihrer fröhlichen Persönlichkeit sei die 29-Jährige eine Bereicherung. «Brenda ist ein Herzensmensch», betont die Pädagogin. 

Das spüren die Kleinkinder. In der Eingewöhnungsphase bei den «Puckis» strich die Spanierin geplante freie Tage und kam in die Gruppe, weil ein neues Mädchen zu ihr eine innige Beziehung aufgebaut hatte, wie die Kita-Leiterin erzählt. Dass die junge Frau aus Barcelona bisher nicht so gut Deutsch spricht, finden die Eltern nicht schlimm. «Brenda macht das toll», sagt Elternvertreterin Jessica Napieraj. «Die Kinder können von ihr lernen, und sie kann von den Kindern lernen.»

Deutsche Wörter «Achtung» und «Vorsicht» wichtig im Alltag 

Welche deutschen Worte sind im Kita-Alltag besonders wichtig? «Achtung» und «Vorsicht», fallen der 29-Jährigen auf Anhieb ein. Auch «Wickeln» bei den Ein- bis Dreijährigen. «Eichhörnchen» und «Weihnachten» spielten zuletzt eine große Rolle. 

Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit wirbt mit dem Einverständnis und der Unterstützung der spanischen Arbeitsverwaltung die Fachkräfte an. In kleinerem Umfang werde auch in Italien rekrutiert, berichtet die für die Zuwanderung von Fachkräften zuständige Behörde mit Sitz in Bonn. 

Allein über das Programm «Willkommen im Kindergarten» haben laut ZAV von 2022 bis Ende 2024 rund 600 Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland ihre Arbeit aufgenommen, weit überwiegend aus Spanien. Es läuft schon länger in Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Nordrhein-Westfalen. Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind in der Pilotphase. Ein ähnliches Pilotprojekt wie in der Region Hannover mit den Kommunen Langenhagen, Seelze und Garbsen gibt es in Melle im Landkreis Osnabrück. 

Bundesweit ist die Situation in vielen Kitas äußerst angespannt. Vielerorts fehlen Fachkräfte, sodass Betreuungszeiten etwa bei Krankheitsausfällen verkürzt werden oder Kitas tageweise ganz schließen müssen. Laut dem Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2021 werden bis 2030 in Westdeutschland rund 252.000 zusätzliche Kita-Fachkräfte benötigt, um ein bedarfsdeckendes Angebot zu sichern. In Ostdeutschland würden dagegen mehr Personen ausgebildet, als für den Gesamtbedarf von 31.000 erforderlich seien. Gegen den Fachkräftemangel sollen auch Quereinsteiger-Programme helfen. 

Deutsche Kommunen hoffen, dass Spanierinnen bleiben

Seit ihrer Ankunft im September hat Brenda viel über Deutschland gelernt. Sie hat sich über Schnee gefreut, über die Taktung und Zuverlässigkeit von Bussen und S-Bahnen gewundert. Sie habe sich für eine Wohnung in der Nähe der Kita entschieden, damit sie nicht auf den Bus angewiesen sei und zu Fuß gehen könne, erzählt sie. Zunächst waren die spanischen Erzieherinnen in Gastfamilien untergebracht, die Wohnungssuche als Ausländerin auf dem angespannten Markt klappte nur mit Unterstützung von Kolleginnen.

Die Region Hannover hat ein Interesse daran, dass Brenda Hornos Justicia nach ihrer staatlichen Anerkennung als Erzieherin in Deutschland in einer ihrer 21 Kommunen bleibt. Schon jetzt fehlten in der Kinderbetreuung der Region 600 Fachkräfte, bis 2030 werden es nach Berechnungen 6.122 offene Stellen sein, sagt Projektkoordinatorin Leena Wilke. In der Region Hannover leben rund 1,2 Millionen Menschen. 

Die Bezahlung in der niedersächsischen Kita ist besser als in Barcelona, die Arbeit findet Brenda Hornos Justicia spannend, doch ihr Vater und Bruder sowie viele Freunde leben in Spanien. Aktuell könne sie nicht sagen, wie lange sie bleiben werde, sagt die 29-Jährige: «Es ist gut hier zu leben für einige Zeit. Ich bin zufrieden im Moment.»

© dpa-infocom, dpa:250113-930-342450/1

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