«Grüner» Stahl: SPD im Norden sieht keine Alternative

Die SPD in Hamburg und Schleswig-Holstein ist der Ansicht, dass schon bald klimaneutraler Stahl mit Hilfe von importiertem Wasserstoff produziert werden wird. Jonas Walzberg/dpa
Die SPD in Hamburg und Schleswig-Holstein ist der Ansicht, dass schon bald klimaneutraler Stahl mit Hilfe von importiertem Wasserstoff produziert werden wird. Jonas Walzberg/dpa

Hamburg (dpa/lno) –

Angesichts der von CDU-Chef Friedrich Merz geäußerten Zweifel an der Produktion von «grünem» Stahl hat Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) die Wasserstoff-Importstrategie des Senats bekräftigt. «Wir müssen uns in der Energieversorgung anders als bislang aufstellen und unabhängiger machen von bisherigen Lieferquellen», erklärte die Senatorin und SPD-Landesvorsitzende. 

Der Einsatz von Wasserstoff könne die CO2-Emissionen der energieintensiven Industrien verringern. Der klimafreundliche Brennstoff werde zum großen Teil importiert werden. «Und mit der zunehmenden Verfügbarkeit wird der Preis sinken», zeigte sich die Wirtschaftssenatorin überzeugt.

Merz hatte am Montag in Bochum bei einer Betriebsrätekonferenz des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA gesagt: «Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Den haben wir nicht. Und wenn wir das mit Wasserstoff machen, dann ist die Tonne Stahl immer noch mindestens 300 Euro teurer, als wenn sie bisher konventionell erzeugt wird.»

Hamburg als Drehkreuz für Wasserstoffimporte

Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hatte Anfang 2022 ihr Konzept «Green Hydrogen Hub Europe – Hamburg als Drehkreuz für Wasserstoffimporte nach Deutschland und Europa» vorgelegt. Darin heißt es, die Bundesregierung habe ein Pilotprogramm angekündigt, bei dem sie die Mehrkosten übernehme, die durch eine Umstellung auf treibhausgasneutrale Technologien entstehen. 

Die Stahlindustrie ist einer der größten CO2-Emittenten. Die Bundesregierung fördert den «grünen» Umbau mit Milliardensummen. Die Stahlindustrie ist dafür auf große Mengen von Wasserstoff angewiesen. Die Wirtschaftsbehörde hat in einer Studie ermitteln lassen, dass bis zu 18 Prozent des gesamten deutschen Bedarfs an Wasserstoff im Jahr 2045 über den Hamburger Hafen importiert werden könnte. Mit Institutionen in Schottland, Kanada, Chile, Japan und Norwegen hat Hamburg in den vergangenen Jahren in Absichtserklärungen Kooperationen vereinbart. 

Konzern fordert Schutzmaßnahmen für «grünen» Stahl

Der Stahlkonzern ArcelorMittal, dessen Werk im Hafen zu den größten Stromverbrauchern der Stadt gehört, beklagt eine Reihe von politischen Unsicherheiten. Um wettbewerbsfähig Stahl produzieren zu können, müsse die EU Stahlimporte mit Abgaben für CO2-Emissionen belegen und robustere Schutzmaßnahmen im Handel ergreifen, hieß es in einer Mitteilung. Ab 2026 müssen Importeure nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums solche Abgaben entrichten. Damit soll der CO2-intensive Stahl teurer werden und gegenüber dem «grünen» Stahl nicht mehr wettbewerbsfähig sein. 

ArcelorMittal fordert nach Angaben eines Unternehmenssprechers: «Für den Übergang und bis genügend erneuerbarer Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht, muss die Möglichkeit bestehen, Erdgas, Wasserstoff jeglicher Farbe und CCS zu verwenden, sofern verfügbar, ohne dass die Förderung zurückgezahlt wird.» 

CCS ist die Abkürzung für Carbon Capture and Storage. Bei dieser Technologie wird CO2 bei der Produktion energieintensiver Produkte abgeschieden und unterirdisch gespeichert. Neben «grünem» gibt es «blauen» Wasserstoff, der unter Anwendung von CCS aus Erdgas, Kohle und Öl gewonnen wird. Bei der energieintensiven Herstellung von «grauem» Wasserstoff werden große Mengen Kohlendioxid freigesetzt.

Midyatli: Merz-Äußerung «brandgefährlich»

Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionsvorsitzenden Serpil Midyatli ist die Kanzlerkandidatur des CDU-Chefs Merz eine Gefahr für die deutsche Stahlindustrie. «Grüner Stahl ist für Unternehmen wie Thyssen Krupp ein Zukunftsgarant», erklärte sie. Merz hingegen bringe mit seinen Aussagen zehntausende von Arbeitsplätzen in Gefahr. Eine Abkehr von grünem Stahl würde Deutschland teuer zu stehen kommen. «Deshalb ist diese Abrissbirnen-Mentalität so unverantwortlich wie auch brandgefährlich», erklärte Midyatli. 

Habeck: USA und China wollen ohne Kohleenergie produzieren

Bereits am Dienstag hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über die Aussage von Merz gesagt: «Diese Aussage ist ein Schlag in das Gesicht all der Beschäftigten. Denn sie kann nur so übersetzt werden, dass die deutsche Stahlproduktion zu Ende geht.» 

Es werde in den 2030er Jahren keinen Markt für «schwarzen» Stahl mehr geben. «Alle großen Volkswirtschaften, die USA, China, haben sich auf den Weg gemacht, den Stahl zu dekarbonisieren.» Niemand sollte glauben, dass mit Kohleenergie produzierter Stahl auf dem Weltmarkt noch eine Chance habe.

© dpa-infocom, dpa:250115-930-344842/1

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