Borkum (dpa/lni) –
Im Verfahren um ein Stromkabel für die umstrittene Erdgasförderung in der Nordsee vor Borkum erhöht der Energiekonzern One-Dyas den Druck und klagt gegen die niedersächsische Genehmigungsbehörde. Der Konzern wirft dem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vor, untätig zu sein. Eine sogenannte Untätigkeitsklage gegen die Behörde sei im Dezember beim Verwaltungsgericht in Oldenburg eingereicht worden, teilte eine One-Dyas-Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Das Umweltministerium in Hannover, die Aufsichtsbehörde des NLWKN, bestätigte die Klage.
«Es ist nicht nur aus Sicht von One-Dyas wichtig, dass das Verfahren sorgfältig und zeitnah abgeschlossen wird. Es ist vor allem wichtig für die Energiewende und alle, die sich um die Einhaltung der Klimaziele, die Wirtschaft und die geopolitische Lage sorgen», teilte die Konzernsprecherin weiter mit.
One-Dyas will rund 20 Kilometer in der Nordsee vor Borkum unter deutschen und niederländischen Gewässern Gas fördern. Dafür liegen dem Unternehmen auch schon Genehmigungen vor. Was noch fehlt, sind ein Völkerabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden – und der Stromanschluss.
Gerichtsverfahren um Kabel-Genehmigung
Um das acht Kilometer lange Stromkabel durch die Nordsee gibt es seit Monaten Streit. Es soll die schon installierte Förderplattform von One-Dyas mit Energie vom benachbarten Offshore-Windpark Riffgat versorgen. 2022 hatte One-Dyas eine Genehmigung für das Kabel vom NLWKN erhalten.
Umweltschützer fürchten, dass das Kabel schützenswerte Unterwasserbiotope und Riffstrukturen zerschneiden und unwiederbringlich zerstören werde. Die Deutsche Umwelthilfe hatte gegen die Kabel-Genehmigung vergangenen Sommer erst Widerspruch bei der Behörde eingereicht und dann mit weiteren Verbänden geklagt. Das Verwaltungsgericht Oldenburg entschied im August, dass das Kabel vorerst nicht verlegt werden darf. Die Richter hielten eine weitere Prüfung von Kompensationsmaßnahmen für erforderlich.
Zur Begründung der Untätigkeitsklage teilte One-Dyas nun mit, alle erforderlichen Unterlagen bereits im August eingereicht und im September weitere Fragen des NLWKN beantwortet zu haben. «Von da an hätte das Verfahren wieder aufgenommen werden können, was aus unbekannten Gründen nicht geschah. Diese Verzögerung ist unerwünscht, unbegreiflich und passt nicht in den Genehmigungsprozess», teilte One-Dyas mit. Weil das Genehmigungsverfahren sich hinzog, rückte der Energiekonzern im Dezember von seinem Ziel ab, bis Jahresende 2024 erstes Gas in der Nordsee zu fördern.
Umweltministerium und NLWKN halten Klage für erledigt
Das Umweltministerium teilt auf Anfrage mit, die Untätigkeitsklage gegen die eigene Landesbehörde nicht nachvollziehen zu können. Der NLWKN habe die weiteren von One-Dyas eingereichten Unterlagen «intensiv und in enger Abstimmung» mit dem Umweltministerium insbesondere mit Blick auf die Anforderungen des Urteils geprüft, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.
Obwohl noch einige Fragen zur Umsetzung der rechtlichen Anforderungen des Urteils offen seien – unter anderem zu möglichen weiteren Kartierungen entlang der Kabeltrasse – habe die Landesbehörde am 19. Dezember das Verfahren zur Beteiligung der Träger öffentlicher Belange eingeleitet. Das bedeutet, dass nun etwa Umweltverbände Stellung zu den Antragsunterlagen nehmen können.
Das Beteiligungsverfahren sei begonnen worden, noch bevor die Klage von One-Dyas gestellt wurde, heißt es aus dem Ministerium. «Aus Sicht des NLWKN und des Umweltministeriums sollte sich die Klage erledigt haben, da das Verfahren ordnungsgemäß vorangetrieben wird», teilte die Sprecherin von Umweltminister Christian Meyer (Grüne) weiter mit. One-Dyas hält allerdings an der Klage fest, das Verfahren läuft.
Umwelthilfe mahnt sorgfältige Prüfung an
Die Umwelthilfe warnt unterdessen vor zu großer Eile in dem Verfahren. «One-Dyas versucht erneut die Landesregierung zu einem überhasteten Vorgehen zu drängen. Damit soll offenbar eine sorgfältige Prüfung des Antrags auf Genehmigung des Seekabels verhindert werden», sagte der Energieexperte der Umwelthilfe, Constantin Zerger. Die wirtschaftlichen Interessen des Konzerns dürften den Schutz der Nordsee nicht aushebeln.
Umweltschutzverbände setzen darauf, dass die Verlegung des Stromkabels endgültig verweigert wird. Den Bau des Kabels hält die Umwelthilfe nicht mehr für notwendig. Zerger verwies darauf, dass One-Dyas auf niederländischer Seite den Betrieb der Förderplattformen mit Generatoren beantragt habe.
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