Schleswig (dpa/lno) –
Hinter den schleswig-holsteinischen Archäologen liegt ein erfolgreiches und arbeitsreiches Jahr. Insgesamt gab es 33 Baubegleitungen, 94 Voruntersuchungen und 25 Hauptuntersuchungen, wie die Sprecherin des Archäologischen Landesamtes, Birte Anspach sagte. Die umfangreichsten Untersuchungen sind in Lohe-Rickelshof bei Heide im Zusammenhang mit dem dort geplanten Batteriezellwerk von Northvolt in diesem Jahr abgeschlossen worden.
Eine Ausgrabung der Superlative
Hier im Übergangsbereich von Geest zu Marsch erbrachte die Ausgrabung auf einer Fläche von insgesamt 9,3 Hektar 18.490 Befunde. «Ohne archäologische Ausgrabung hätte der Bau in großem Umfang in das archäologische Erbe eingegriffen und es zerstört», sagte Anspach. Es wurden demnach lückenlos Befunde von der Jungsteinzeit (Neolithikum) bis zur Völkerwanderungszeit gefunden – also über einen Zeitraum von mindestens 4600 Jahren haben hier Menschen Spuren hinterlassen.
Die außergewöhnliche Befunddichte und -qualität sowie die hervorragenden Erhaltungsbedingungen auf einer Fläche dieser Größenordnung sind den Angaben zufolge in Schleswig-Holstein bisher beispiellos. «Und sie werden das archäologische Verständnis der Region nachhaltig bereichern», sagte die Sprecherin. «Die Aufarbeitung wird sicherlich noch einiges Überraschendes hervorbringen, wir sind gespannt.»
Unter anderem wurden 241 Langhäuser, 11 Klein- und Wirtschaftsgebäude wie Werkhäuser und Scheunen, 215 Nebengebäude beziehungsweise Speicherbauten und 66 Grubenhäuser freigelegt. Darüber hinaus rund 150 Öfen, 11 Körpergräber, 42 Brunnen und vieles mehr.
Weitere Ausgrabungen im gesamten Land
Auch in anderen Landesteilen waren die Archäologen aktiv. Insbesondere auf Flächen, auf denen beispielsweise Stromtrassen, Gewerbe- und Neubaugebiete entstehen sollen.
So haben Archäologen im nordfriesischen Hattstedt bei Untersuchungen vor einer geplanten Wohngebietserweiterung zwei bisher unbekannte Großsteingräber aus der Jungsteinzeit ausgegraben. Großsteingräber, auch Megalithgräber genannt, sind die häufigsten Hinterlassenschaften der Menschen der Jungsteinzeit (Neolithikum). Noch heute prägen diese imposanten Grabmale die Landschaft des Nordens. Von den ehemals mehr als 3000 Gräbern in Schleswig-Holstein ist der größte Teil allerdings in den vergangenen Jahrhunderten zerstört worden.
Bei Ausgrabungen in Hohenwestedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) haben Archäologen für Schleswig-Holstein seltene Siedlungsspuren aus der Bronzezeit (etwa 1100 bis 700 vor Christus) gefunden. Des Weiteren wurden etwa bei der Hauptuntersuchung einer Siedlung der vorrömischen Kaiserzeit im Ratekauer Ortsteil Rohlsdorf (Kreis Ostholstein) unter anderem Keramiken und teils gut erhaltene Feuerböcke ausgegraben. Auch Tierknochen und – Zähne, die wohl aus Schlachtabfällen stammten, fanden sich. Auch in Büchen (Kreis Herzogtum Lauenburg), Reinfeld (Kreis Stormarn), Kappeln, Heide, Morsum, auf Fehmarn und in vielen weiteren Orten im Land gab es Grabungen.
Archäologen such nach untergegangenen Siedlungen im Watt
Doch nicht nur an Land, auch im Wattenmeer waren die Archäologen erneut aktiv. Ziel interdisziplinärer Forschung ist unter anderem der 1362 in einer Sturmflut untergegangene mittelalterliche Handelsplatz Rungholt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf überlieferte Kirchenstandorte, wie das Archäologische Landesamt weiter mitteilte. Mithilfe geophysikalischer Messungen wurden seit dem vergangenen Jahr unter anderem Dutzende mittelalterliche Wohnhügel gefunden, sogenannte Warften.
2025 erwarten die Archäologen ein weiteres spannendes Jahr
«Das vergangene Jahr war für die Landesarchäologie zwar herausfordernd, aber zugleich reich an neuen Erkenntnissen und faszinierenden Ergebnissen», sagte der Landesarchäologe von Schleswig-Holstein, Ulf Ickerodt. Und für 2025 hat der Leiter des Archäologischen Landesamtes ebenfalls hohe Erwartungen: «Auch im kommenden Jahr erwarten wir ein ähnlich hohes Niveau an Feldprospektionen.»
Insgesamt sind im kommenden Jahr 21 Hauptuntersuchungen geplant. Ein Schwerpunkt werden die Hauptuntersuchungen in Kiel-Meimersdorf sein, wo das neue Wohngebiet «Kieler Süden» entstehen soll. «Uns erwartet also ein spannendes Jahr 2025», sagte Landesamtsprecherin Anspach.
Die Hauptaufgabe der kommenden drei bis vier Jahre wird nach Angaben des Landesamtes die Planung und Durchführung der Grabungen auf der Trasse des sogenannten «NordOstLinks». Die Stromtrasse soll nach Angaben des Betreibers Tennet auf rund 190 Kilometern von Schleswig-Holsteins Westküste nach Mecklenburg-Vorpommern führen. Der Baubeginn ist demnach für das Jahr 2028 vorgesehen. Erste archäologische Voruntersuchungen wird es nach Angaben der Archäologen möglicherweise in der zweiten Jahreshälfte 2025 geben.
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