Hamburg (dpa/lno) –
Fast 33 Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines Blumenhändlers hat das Landgericht Hamburg einen Angeklagten freigesprochen. Die Kammer sei zwar der festen Überzeugung, dass der heute 54-Jährige der Täter sei, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas. Doch für eine Verurteilung wegen Mordes, der nicht verjährt, müssten bestimmte Merkmale vorliegen – und die Richter seien nicht sicher, ob eines erfüllt sei. Ein Totschlag sei inzwischen verjährt. Das Urteil sei bitter für die Angehörigen, das tue ihr leid.
Der damals 21-Jährige hatte nach Überzeugung des Gerichts im März 1992 zusammen mit dem späteren Opfer in dessen Wohnung im Stadtteil Horn Alkohol getrunken. Es sei vereinbart worden, dass der Angeklagte gegen Geld Sex mit dem Blumenhändler hatte.
Während eines Streits habe er dem 60-Jährigen mehrfach mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen, ihn mit einem zerrissenen Bettlaken im Schlafzimmer gefesselt und mit einem Stoffstück geknebelt. Dann habe er ihn mit einem Bettlaken erdrosselt und mit einer Decke zugedeckt.
Diebstahl von Tageseinnahmen nicht bewiesen
Es konnte laut Gericht nicht bewiesen werden, dass der Angeklagte die Tageseinnahmen des Blumenhändlers, der einen Stand am Hauptbahnhof hatte, an sich nahm. Auch sei offen geblieben, warum es in dem Streit gegangen sein könnte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Es sei kein gewöhnlicher Prozess, es gehe um einen sogenannten Cold Case, hatte die Verteidigerin Alexandra Elek bei Prozessbeginn im September erklärt – also um neue Ermittlungen in einem noch ungeklärten Kriminalfall. Der Blumenhändler sei homosexuell gewesen und habe häufig Besuch von jungen Männern gehabt. Auch ihr Mandant sei in der Wohnung gewesen. Es gebe jedoch keinerlei Beweise dafür, dass er den 60-Jährigen getötet habe.
Spuren im Laufe der Jahre mehrmals untersucht
Trotz intensiver Ermittlungen hatte die Tat von 1992 Jahrzehnte lang zunächst nicht aufgeklärt werden können. Nach Angaben einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft gab es dann im Mai vergangenen Jahres eine DNA-Treffermeldung aus Italien.
Doch die Strafkammer hatte eine schwierige Beweisaufnahme. Das Gericht wies darauf hin, dass viele Zeugen schon tot seien und andere dement. Auch befragte Kriminalbeamte konnten sich nach so vielen Jahren kaum noch an den Fall erinnern.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten Mord aus Habgier vor und hatte wie die Nebenklage eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch.
Als der Angeklagte bei der Urteilsverkündung dann den Freispruch hörte, wischte er sich mehrfach mit der Hand über die Augen. Die Vorsitzende Richterin betonte, wie schwer sich die Kammer bis zur letzten Minute getan habe, ein Urteil zu fällen. Klar sei: Der Angeklagte werde immer damit leben müssen, als junger Mann einen Menschen brutal getötet zu haben, sagte Woitas. Eine Haftentschädigung solle er nicht bekommen.
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