Hannover (dpa) –
Das niedersächsische Justizministerium will in der kommenden Woche den Landtag über den Fall eines verhafteten Staatsanwalts informieren, gegen den wegen Verdachts auf schwere Bestechlichkeit, Geheimnisverrat und Strafvereitelung ermittelt wird. Der 39-Jährige soll als Ermittler der Staatsanwaltschaft Hannover laut «Bild» führende Köpfe eines Drogenkartells vor einer bundesweiten Razzia 2022 gewarnt haben. Ein Hauptverdächtiger setzte sich nach Dubai ab.
Im Februar 2021 waren im Hamburger Hafen nach damaligen Angaben rund 16 Tonnen Kokain sichergestellt worden. Der Marktwert dieser illegalen Drogen betrug etwa 448 Millionen Euro. Das Landeskriminalamt Niedersachsen berichtete im April 2022 über die Ermittlungen, insgesamt soll eine Bande mehr als 23 Tonnen Kokain aus Süd- und Mittelamerika in die Europäische Union verschifft haben. Mehrere Mitglieder der Bande standen bereits vor Gericht, die führenden Köpfe noch nicht.
Ermittler schon länger selbst unter Verdacht
Der jetzt festgenommene Staatsanwalt wurde schon 2022 verdächtigt, die international agierende Bande mit Informationen versorgt zu haben. Nach Recherchen der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» gab es im Oktober 2022 eine Hausdurchsuchung bei ihm. Dennoch blieb er auf seinem Posten und soll nach Medienberichten in mindestens zwei Verfahren nach dem Rekord-Kokainfund sachbearbeitender Staatsanwalt gewesen sein.
Justizministerium will lückenlose Aufklärung
Nach Recherchen von NDR und «Süddeutscher Zeitung» sollen Kolleginnen und Kollegen in der Justiz sowie mindestens ein hoher Beamter im niedersächsischen Justizministerium über den Verdacht informiert gewesen sein. Zu diesen Details wollte eine Sprecherin des Justizministeriums in Hannover am Freitagabend nicht Stellung nehmen.
«Wir nehmen die schwerwiegenden Vorwürfe gegen einen Bediensteten der Staatsanwaltschaft Hannover sehr ernst», teilte sie mit. «Auch im Interesse der fast 16.000 Beschäftigten, die in der niedersächsischen Justiz Tag für Tag mit vollem Einsatz für unseren Rechtsstaat einstehen, ist es von größter Bedeutung, den Sachverhalt jetzt weiterhin zügig und lückenlos aufzuklären. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft Hannover, die gegen den beschuldigten Staatsanwalt bekanntlich bereits einen Haftbefehl erwirkt hat.»
Oppositionelle CDU zeigt sich irritiert
Das niedersächsische Justizministerium werde den zuständigen Ausschuss des Landtags kommende Woche über Einzelheiten unterrichten, kündigte die Sprecherin von Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) an. Die oppositionelle CDU hatte sich am Mittwoch bereits irritiert gezeigt, warum der Justizausschuss an diesem Tag nicht schon über den Fall informiert worden sei. «Wir haben viele Fragen», sagte ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Laut «Bild» prahlten Kriminelle in Geheim-Chats über ihre Kontakte im Sicherheitsapparat und diskutierten, ob sie ihrem Informanten vertrauen können.
© dpa-infocom, dpa:241101-930-276739/1