Hildesheim (dpa/lni) –
Mit gesenktem Kopf hört der ehemalige Pastor auf der Anklagebank zu, als Rainer de Lippe, Richter am Landgericht Hildesheim, über seine Betrügereien spricht. Planvoll, gezielt, taktisch, konspirativ und täuschend sei der 65-Jährige vorgegangen, lange habe er das Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber ausgenutzt. Um mehr als 44.000 Euro hat der frühere Pastor einer Gemeinde im Landkreis Hildesheim nach Überzeugung des Gerichts die Kirche betrogen. Er erhält eine Bewährungsstrafe von elf Monaten. Doch er unterscheide sich sehr von einem Täter, der «den Hals nicht vollkriegt», betont de Lippe.
Angst, Behandlungskosten nicht bezahlen zu können
Denn eine psychische Erkrankung seiner Tochter ebenso wie eine eigene Krebserkrankung hätten den 65-Jährigen schwer belastetet – auch finanziell. Die Beihilfe habe die Behandlungskosten nur teilweise erstattet, teils nach längerem Streit. Er habe Sorgen gehabt, die Kosten nicht mehr bezahlen zu können. Das habe er mit Betrug zu kompensieren versucht.
Was wird dem ehemaligen Geistlichen vorgeworfen? Nach Überzeugung des Gerichts reichte der heute 65-Jährige zwischen September 2012 und Ende 2016 in 44 Fällen gefälschte oder fingierte Quittungen und Rechnungen beim Kirchenamt Hildesheim ein – um sich dauerhaft eine zusätzliche Geldquelle zu verschaffen. Ursprünglich waren sogar 163 Fälle mit einem Gesamtschaden von mehr als 52.000 Euro angeklagt.
Rechnungen und Quittungen gefälscht
Die Kirche habe dem Ex-Pastor neben der spirituellen auch finanzielle Verantwortung gegeben. Als Pastor sei er berechtigt gewesen, für die Gemeinde Geld auszugeben, erklärt der Vorsitzende Richter. Die Grenze habe bei 1.000 Euro gelegen, Sicherungsmechanismen bei der Landeskirche habe es kaum gegeben. Also beschafft er angeblich Dinge, die man in der Gemeindearbeit eben braucht – Gesangbücher, Bastelmaterial oder auch einen Rasenmäher.
Die Rechnungen dafür fälscht er allerdings am Computer, Quittungen fingiert er, indem er echte Personalien aus dem Telefonbuch einsetzt. Zeugen, die mit ihren angeblichen Verkäufen konfrontiert werden, geben vor Gericht an, den fraglichen Gegenstand nie verkauft zu haben.
Gestanden und Schaden wiedergutgemacht
Für den früheren Pastor spreche, dass er seine Taten gestanden und sich entschuldigt, außerdem den Schaden wiedergutgemacht habe, indem er das Geld zurückzahlte, sagt de Lippe in seiner Urteilsbegründung. Auch lägen die Taten lange zurück. Aber: «Man braucht schon noch eine gewisse kriminelle Energie.»
Eine Bewährungsstrafe von elf Monaten sei angemessen, betont er. Dazu komme, dass dem suspendierten Mann das Ende seines Dienstverhältnisses bei der Landeskirche und damit der Verlust seiner Pension drohe. Angesichts einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr geschehe dies aber nicht automatisch. Ein Monat der Strafe gelte zudem als vollstreckt – als Entschädigung für die lange Verfahrensdauer. Verurteilt wird der 65-Jährige wegen gewerbsmäßigen Betruges und Urkundenfälschung. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig.
Schon das zweite Verfahren in dem Fall
Die Staatsanwaltschaft beantragte zuvor eine Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Obendrein sollte der 65-Jährige binnen 25 Monaten 2.500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Die Verteidigung plädierte dafür, eine Geldstrafe von 2.250 Euro vorzubehalten – die Verkündung einer Strafe sei aber «entbehrlich».
Es ist nicht der erste Prozess in dem Fall: Der Bundesgerichtshof hob das erste Urteil mit Beschluss vom Februar 2023 auf – wegen eines Formfehlers. Nach früheren Angaben des Landgerichts war das Urteil vom Dezember 2021 zwar «materiell-rechtlich fehlerfrei», die Strafkammer informierte aber nicht ausreichend über Verständigungsversuche außerhalb der öffentlichen Verhandlung. Damals wurde der Ex-Pastor zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
Ex-Pastor entschuldigt sich
In seinem letzten Wort vor Gericht entschuldigte sich der ehemalige Pastor erneut, er könne die Taten aber nicht ungeschehen machen. Richter de Lippe bescheinigt ihm, der zwischen 1995 und 2017 Pastor seiner Gemeinde gewesen sei, dies sei eine «Lebensaufgabe» gewesen. Abschließend sagt er zu dem Verurteilten: «Ich wünsche Ihnen alles Gute.»
© dpa-infocom, dpa:241204-930-307566/2