Hamburg (dpa/lno) –
Nach fast vier Jahren Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal sehen SPD und Grüne den Vorwurf der politischen Einflussnahme widerlegt. Vielmehr habe auch die Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte bei der früheren, ehemals staatseigenen HSH Nordbank gezeigt, dass diese ab 2012 konsequent und umfangreich durch eine unabhängige Wirtschaftskanzlei aufgearbeitet worden seien, heißt es in der gemeinsamen Bewertung zum Abschlussbericht des PUA, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Nach Vorlage des Zwischenberichts, in dem es um die Rolle führender SPD-Politiker bei der steuerlichen Behandlung der in den Skandal verstrickten Hamburger Warburg Bank ging, hatte sich der Ausschuss im vergangenen Jahr vor allem mit der HSH beschäftigt. Anders als die Opposition hatte Rot-Grün schon im Fall der Warburg Bank keine Anzeichen für eine politische Einflussnahme gesehen.
SPD-Obmann attackiert Arbeit von CDU und Linken im PUA
Milan Pein, Obmann der SPD im Ausschuss, verband sein Fazit mit scharfer Kritik an der Opposition: «Mühsam zusammengekittete Indizienketten statt Beweise, persönliche Diffamierung statt fairer Umgang, Polittheater statt verantwortungsvolle Aufklärung: Das ist die Bilanz von CDU und Linken in vier Jahren PUA», sagte er der dpa. «Hunderte Stunden intensiver Ausschussarbeit sowie zehntausende Seiten Akten und Beweismittel haben nichts zutage gebracht, das den Vorwurf der politischen Einflussnahme gerechtfertigt hätte – weder im Falle Warburg noch bei der HSH.»
Für die Grünen habe im PUA «eine sachorientierte, umfassende Aufklärung im Vordergrund» gestanden, sagte ihr Obmann Farid Müller der dpa. «Auch wenn nicht alle Fragen abschließend beantwortet werden konnten, ließ sich der ursprüngliche Vorwurf einer politischen Einflussnahme auf Basis der herangezogenen Akten und Aussagen nicht belegen.»
Grüne: Hamburg jetzt besser gegen Finanzkriminalität aufgestellt
Die zentrale Erkenntnis aus den Fällen «Warburg» und «HSH Nordbank» sei die Notwendigkeit, die Finanzverwaltung bei der Verfolgung von Finanzkriminalität effektiv zu stärken, sagte Müller. «Hier konnte Hamburg in den letzten Jahren bereits große Fortschritte erzielen: mit mehr und besser ausgestatteten Stellen in der Finanzverwaltung sowie mehr Möglichkeiten, im Kampf gegen Steuerhinterziehung auf externe Beratung zurückzugreifen.»
Cum-Ex- und die ebenfalls auf Betrug ausgelegten Cum-Cum-Geschäfte von Finanzakteuren würden Politik, Behörden und Justiz in Deutschland noch viele Jahre beschäftigen, sagte Pein. «Der Zwischen- und der Abschlussbericht im PUA können dazu dienen, illegale Steuergeschäfte in Zukunft möglichst effektiv zu bekämpfen.»
Cum-Ex-PUA auf der Zielgeraden
Am 26. Februar, der letzten Sitzung vor der Wahl am 2. März, soll der Abschlussbericht in der Bürgerschaft beraten werden. Zuvor können die Fraktionen ihre von der Mehrheitsmeinung abweichende Auffassung in einem Minderheitsbericht darlegen. Auch die Warburg Bank und die inzwischen privatisierte Rechtsnachfolgerin der HSH, die Hamburg Commercial Bank (HCOB), können Stellungnahmen abgeben, die dann in den Abschlussbericht Eingang finden.
Schon beim Zwischenbericht waren Regierungsparteien und Opposition zu völlig konträren Bewertungen gekommen: Während SPD und Grüne keinen Beleg für eine politische Einflussnahme auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank sahen, werteten CDU, Linke und AfD dagegen Indizien als Beleg, dass der damalige Bürgermeister und heutige Kanzler Olaf Scholz und sein damaliger Finanzsenator und späterer Nachfolger im Rathaus, Peter Tschentscher (beide SPD), sehr wohl Einfluss genommen hätten.
Scholz-Treffen mit Warburg-Banker Olearius führten zu PUA
Der PUA war 2020 eingerichtet worden. Hintergrund waren drei Treffen von Scholz mit dem Warburg-Bank-Gesellschafter Christian Olearius 2016 und 2017, die erst durch die Veröffentlichung von entsprechenden Einträgen der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Tagebücher des Bankers bekanntgeworden waren.
Bei den Treffen ging es um drohende Millionen-Rückforderungen der Hamburger Finanzverwaltung wegen zu unrecht erstatteter Kapitalertragssteuern. Gegen Olearius war damals bereits wegen des Verdachts des schweren Steuerbetrugs im Zusammenhang mit Cum-Ex ermittelt worden.
Nach den ersten Treffen hatte die Finanzverwaltung entgegen ursprünglicher Pläne auf die Rückforderungen von 47 Millionen Euro verzichtet – und diese nach Ansicht der an der Entscheidung Beteiligten in die Verjährung laufenlassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert. Zwischenzeitlich hat die Bank alle Forderungen beglichen.
Cum-Ex-Geschäfte von der HSH Nordbank selbst aufgeklärt
Auch die HSH Nordbank hatte sich als damalige Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein laut eigener Prüfung zwischen 2008 und 2011 in 29 Fällen Kapitalertragssteuern erstatten lassen, die zuvor gar nicht gezahlt worden waren. 2014 hatte die HSH deshalb rund 126 Millionen Euro an die Steuerverwaltung zurückgezahlt.
Zuvor hatte die Bank die Wirtschaftskanzlei Clifford Chance mit der Untersuchung der Fälle beauftragt. «Mit dem auch von Experten gelobten Saturn-Bericht hat die einzige derart frühzeitige und externe Aufarbeitung einer deutschen Landesbank stattgefunden», sagte Pein.
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