Tschentscher: Hamburg auf Krisen vorbereiten

Hamburg muss sich laut Bürgermeister Tschentscher angesichts der russischen Aggression auf Krisenszenarien vorbereitet (Archiv) Marcus Brandt/dpa
Hamburg muss sich laut Bürgermeister Tschentscher angesichts der russischen Aggression auf Krisenszenarien vorbereitet (Archiv) Marcus Brandt/dpa

Hamburg (dpa/lno) –

Angesichts des Angriffskriegs in der Ukraine und zunehmender Spannungen zwischen Russland und der Nato bereitet sich Hamburg auf verschiedene Krisenszenarien vor. Mit ihrem Hafen, den Schienenwegen, den Autobahnen und dem Elbtunnel sei die Stadt ein wichtiger Logistikhub etwa im Falle von Nato-Truppenverlegungen und damit auch mögliches Ziel von Angriffen und Sabotageakten, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.

Schon jetzt seien die Auswirkungen der hybriden Kriegsführung in der Hansestadt spürbar. «Wir haben zum Beispiel eine große Zahl an Cyberangriffen auf unseren Hafen.» Bislang seien alle abgewehrt worden. «Aber sollten sich diese Spannungen zwischen Russland und der Nato verschärfen, müssten wir damit rechnen, dass es zu härteren Sabotageakten gegen Hamburg kommt.» 

Truppenverlagerung würde Versorgung der Stadt einschränken

Hafen, Elbtunnel, Autobahnen – «all das würde im Falle einer, wenn auch nur präventiven Truppenverlagerung der Nato Richtung Baltikum gebraucht», sagte er. Große Teile der zivilen Infrastruktur müssten dann für den Transport von Fahrzeugen, militärischer Ausrüstung und vieler Soldaten genutzt werden. «All das würde dazu führen, dass die zivile Nutzung des Hafens, der Autobahnen, des Elbtunnels eingeschränkt wäre», sagte Tschentscher.

Dabei dürften die Logistikketten für den zivilen Bereich aber nicht völlig zusammenbrechen. «Wir müssen dafür sorgen, dass wir in diesem Szenario weiterhin ausreichend versorgt werden und dass es nicht zu Engpässen kommt, wie es zum Beispiel während der Blockade des Suezkanals oder in der Corona-Pandemie zwischenzeitlich der Fall war.»

Tschentscher: Müssen im Fall der Fälle Resilienz beweisen

Darauf bereite man sich zusammen mit der Bundeswehr vor. «Das ist sehr komplex.» Es gehe darum, dass die Stadt „resilient“ werde und zum Beispiel bei einer Sabotage der Wasser- und Energieversorgung schnell wieder handlungsfähig wäre, sagte der Bürgermeister. «Dafür brauchen wir eine sorgfältige Analyse möglicher Schwachstellen und entsprechende Notfallpläne.» 

Hinter den Kulissen werde bereits an solchen „Resilienzplänen“ gearbeitet. Das sei mit großem Aufwand verbunden und brauche auch seine Zeit. «Es nützt aber nichts, die Augen vor der Bedrohung zu verschließen.» Das Personal und die Organisation des Krisenmanagements der Stadt seien daher verstärkt worden. In der Innenbehörde werde eine neue «Krisenabwehrstruktur» aufgebaut. «Das alles tun wir, weil wir diesen Fall, den wir alle nicht wünschen, in Betracht ziehen müssen.»

Bevölkerung könnte bei Angriff in U- und S-Bahnen Schutz suchen

Zur Stärkung der Resilienz sollen auch Gespräche mit den Unternehmen geführt werden. «Wir brauchen eine entsprechende Lagerhaltung, um nicht schon bei kleineren Störungen der Logistikketten in eine Krise zu stürzen», sagte Tschentscher. «Alles, was wir im Voraus bedenken und was wir vorbereiten können, hilft uns im Falle einer Krise, von der wir ja hoffen, dass sie sich gar nicht ereignet.»

Ein zweiter wichtiger Punkt sei der Zivilschutz. «Wir sollten uns von der Überlegung trennen, dass uns die wenigen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg heute noch ausreichend schützen können.» Bei seinem Besuch in Kiew habe er gesehen, dass die Menschen bei einem Luftalarm andere Schutzräume aufsuchen – zum Beispiel Keller, Tiefgaragen oder U-Bahn-Stationen, sagte Tschentscher.

«Sie wurden zwar nicht als Bunker gebaut, sind aber gleichwohl geeignet, um sich bei Detonationen vor Trümmern und Glassplittern zu schützen.» Am Beispiel Kiew sehe man, wie groß die Resilienz einer Stadt sein könne, wenn es Pläne dafür gebe, wo die Menschen Schutz finden und wie zerstörte Infrastruktur wieder hergestellt wird.

CDU-Chef Thering fordert weitere Schutzmaßnahmen 

Dennis Thering, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU, gehen die Schutzvorbereitungen nicht weit genug. Er stimme mit Tschentscher darin überein, dass sich Hamburg auf hybride Bedrohungen, kriegerische Auseinandersetzungen und Cyberangriffe vorbereiten müsse, sagte er der dpa. «Jedoch reicht es nicht aus, beim Zivilschutz auf vorhandene Keller, Tiefgaragen oder U-Bahn-Stationen zu verweisen.»

Vielmehr müsse bei der Stadtentwicklung bereits jetzt strategisch die Integration moderner Schutzeinrichtungen in neue Infrastrukturprojekte mitgedacht und realisiert werden, «die im Ernstfall der Bevölkerung Schutz bieten und im Alltag multifunktional genutzt werden können», sagte er. Zudem forderte Thering eine «Zivilschutz-Offensive» und einen eigenen Operationsplan für Katastrophen- und Zivilschutz in Hamburg.

© dpa-infocom, dpa:250106-930-335544/2

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