Im Prozess um die Tötung eines schwerstbehinderten 23-Jährigen geht die Beweisaufnahme auf Antrag der Verteidigung weiter. Ursprünglich waren vor dem Landgericht Oldenburg (Niedersachsen) am Dienstag Plädoyers und Urteil erwartet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft der Mutter des Mannes, einer 57-jährigen Deutschen, heimtückischen Mord an ihrem Sohn vor.
Tod im Wohnwagen
Nach den Aussagen der Angeklagten und den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stellte die Deutsche im Juni 2023 in Wilhelmshaven in einem abgedichteten Wohnwagen einen angezündeten Holzkohlegrill auf. Sie gab ihrem Sohn, der nicht sprechen konnte, ein Beruhigungsmittel und fütterte ihn mit Schokoladenkuchen. Dann verloren beide das Bewusstsein.
Während die Frau nach einiger Zeit wieder erwachte, starb ihr Sohn. Hintergrund der Tat war der Angeklagten zufolge, dass sie keine Perspektive mehr für ihren stark hilfsbedürftigen und teils sehr aggressiven Sohn sah – weder im Heim noch in der Psychiatrie. Deshalb habe sie letztlich den Plan gefasst, gemeinsam mit ihm aus dem Leben zu scheiden.
Kommt das Mordmerkmal Heimtücke in Betracht?
Die Verteidigung beantragte nun ein psychiatrisches Gutachten zu den geistigen Fähigkeiten des jungen Mannes. Der Anwältin zufolge war dieser nicht in der Lage, arglos zu sein. Arglosigkeit ist ein Zustand, in dem ein Mensch nichts Böses ahnt und Gefahren nicht erkennen kann.
Falls der 23-Jährige nicht arglos sein konnte, käme das Mordmerkmal Heimtücke nicht in Betracht. Denn bei einer heimtückischen Tötung nutzt ein:e Täter:in die Arglosigkeit und Wehrlosigkeit des Opfers aus. Um dies zu klären, setzte die Kammer zwei neue Verhandlungstermine fest und will den damaligen Psychiater des Mannes und den Bezugspfleger befragen. Falls der Ehemann der Angeklagten zu einer Aussage bereit ist, soll auch dieser befragt werden. Die Verhandlung wird am 7. Februar fortgesetzt.
SAT.1 REGIONAL/dpa